Objekte der Himmelfahrt?

Im Zuge des Klimawandels rücken die Luftfahrt und die Transportmittel, die sie ermöglichen, immer mehr in ein düsteres Licht. In einer Zeit hingegen, in der das Sicherheben über die Wolken in den Kinderschuhen steckte, wurden nahezu alle daran beteiligten Objekte zu Ko-Heroinnen der Überwindung von Schwerkraft. So schilderte die Schauspielerin Sarah Bernhardt etwa – folgt man der Erzählung Julian Barnes’ Roman „Levels of Life“ – ihren Aufstieg in höhere Sphären in einem Heißluftballon aus der Sicht des Stuhls, auf dem sie während des Abenteuers gesessen hatte. In welcher Form haben Gegenstände aber nun teil an der visuellen Vermittlung der Erzählung von einer ganz anderen Himmelfahrt, wie beispielsweise jener, die Rueland Frueauf der Ältere 1490/1491 malte?

„Subtil und effektiv“, ist eine erste Antwort auf diese Frage. Neben der für das Spätmittelalter herausragenden Schilderung der Cumuluswolken, die auf einem strahlend blauen Himmel platziert sind, ist es vor allem die Relation von Maria zu dem Grab, die die religiöse Thematik auf der heute in der österreichischen Galerie Belvedere verwahrten Tafel transportiert.

Beim Letzten Gebet Mariens, das um 1500 vermutlich in der Werkstatt von Rueland Frueauf d.Ä. entstand und heute in St. Florian aufbewahrt wird, ist eine Reduktion auf ein markantes Objekt zu beobachten: das Aspergill (Weihwasserwedel), das Petrus in seiner rechten Hand hält und auf die bevorstehenden Exsequien aufmerksam macht. Weder das Bett Mariens oder ihr Lesepult werden gezeigt. Vergleichbar wurde auch bei der Himmelfahrt Mariens im Belvedere der Inhalt durch einen sehr subtilen Einsatz von Objekten gestaltet: Im Unterschied zu anderen Werken, wie beispielsweise einer im süddeutschen Raum entstandenen Himmelfahrt Mariens im Wallraf-Richartz-Museum oder jener auf der Rückseite des Flügelretabels in Gries von Michael Pacher, ist weder die Erhebung Mariens in den Himmel oder der sie empfangende Christus und die Engel, noch in aller Deutlichkeit der offene Sarg dargestellt. Bei Frueauf d.Ä. muss das Grab Mariens erst von den Betrachter*innen als solches identifiziert werden. Als Anreiz dafür, diese Stelle im Bild genauer zu erkunden sind rosa und weiße Rosen darauf ausgestreut. Blumen werden auch im Text der Legenda Aurea zum Fest Mariä Himmelfahrt erwähnt. Auf die Aufforderung Christi, die Apostel sollen die Gottesmutter im Tal Joschafat bestatten, folgt die Aussage, dass Maria sogleich Rosenblüten umgaben (Hdl 5,8), „d.h. die rosafarbenen Scharen der Märtyrer und die <Lilien der Schluchten> (Hld. 2,1)“. Der Grabschacht ist auch die Stelle, die Rueland Frueauf d.Ä. für die Datierung und Anbringung seines Monogramms verwendet hat (vgl. Ausstellungskatalog „Rueland Frueauf d.Ä. und sein Kreis“, Wien 2017, 89). Einzig Marias Positionierung – stehend auf anstatt liegend in dem Grab – deutet also das Geschehen an, das offenbar auch noch nicht alle Apostel bemerkt haben. Im Bildvordergrund sind Petrus betend und Johannes ganz in ein Buch versunken dargestellt. Nachdem der Bericht von der Auffahrt Mariens in der Legenda Aurea dem Evangelisten Johannes zugeschrieben wird, kommt dem Buch, das er in Händen hält mitunter auch eine doppelte Funktion zu: Es kann als Objekt gelesen werden, das während dem Geschehen zur Vertiefung des Gebets diente, oder aber als der Gegenstand, der die Himmelfahrt dokumentiert und der es ermöglicht, das Geschehen immer wieder Revue passieren zu lassen.

I.N.