Um Grenzen oder Abgründe überwinden zu können, bedarf es – baulicher – Hilfsmittel, wie etwa Brücken. Diese müssen nicht nur errichtet, sondern auch Instand gehalten und bei Bedarf erneuert werden. Geschieht dies nicht, können Verbindungen nicht aufrechterhalten werden, kommt es zu Verzögerungen oder gar zu Katastrophen – dies hat sich bis heute nicht wesentlich geändert, wie das jüngste Beispiel eines massiven Brückeneinsturzes mitten im städtischen Raum in Genua zeigt. Gelegentlich können Brücken allerdings auch missbräuchlich genutzt werden. Am Bild des Monats wird eine der wenigen Darstellungen der Hinrichtung des heiligen Florian in Szene gesetzt. Dies ist umso auffallender, als von den 63 in der Bilddatenbank REALonline aufgenommenen Werken mit Darstellungen des heiligen Florian nur 4 den Hinrichtungsort – die Brücke – thematisieren.
Eines davon ist das aus der Stiftsgalerie Seitenstetten (NÖ) stammende Tafelbild. Was vordergründig als Mittel zum Zweck erscheint, nämlich die „Richtstätte“ des Heiligen Florian vor Augen zu führen, verweist bei näherer Betrachtung auf einen weiteren, völlig anders gelagerten Aspekt. Bei der direkt vor den Toren Stadt inszenierte Hinrichtung erscheint die bogenförmige Holzbrücke als Hinrichtungsort medial in Szene gesetzt und dominiert die gesamte Szene. Bei einer weiteren, etwa zeitgleich entstandenen und Albrecht Altdorfer zugeschriebenen Darstellung der Hinrichtung des heiligen Florian wird ebenfalls der Ort der Handlung – die Brücke über der Enns – zentral ins Bild gerückt.
Beim heiligen Florian handelt es sich um einen Heiligen, dessen Verehrung im österreichisch-bayrischen, aber auch in Böhmen, Polen und Ungarn weite Verbreitung fand. In der Passio Floriani wird das Glaubenszeugnis eines römischen Verwaltungsbeamten geschildert, der aufgrund seines Bekenntnisses zum Christentum im Jahr 304 hingerichtet wurde. Der Legende nach wurde er mit einem (Mühl)Stein am Hals in die Enns geworfen und ertrank; die gefangenen Christen, denen er seinen Beistand gewähren wollte, ebenfalls hingerichtet. Die Passio fand mehrfach Eingang in die handschriftliche Überlieferung, zum Beispiel in den Stiftsbibliotheken Lambach (9. Jh.), Admont (Ende 11. Jh.), Zwettl (Ende 12. Jh.) oder Klosterneuburg (1452). Auch in der spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Bildtradition wurde das Thema vielfältig aufgegriffen: als Patron der Feuerwehr und als Beistand bei Feuer- und Wassergefahr sowie Dürre und Unfruchtbarkeit der Felder, etc. erfreut sich die Figur des heiligen Florian bis heute sich großer Beliebtheit.
Die dominante Darstellung der Holzbrücke scheint über die Funktion als Ort der Hinrichtung hinaus zunächst keine besondere Funktion einzunehmen. Vor dem Hintergrund des intensiven Bemühens der Ennser Bürgergemeinde um den technisch und finanziell aufwändigen Bau der nahe gelegenen Donaubrücke und die ohnehin ständig präsente Notwendigkeit der Instandhaltung der Brücke über die Enns erscheint jedoch die die Bildkomposition dominierende Holzbrücke mit ihren auf massiven Piloten ruhenden Rundbögen in einem anderen Licht. Die Erhaltung von Verkehrsverbindungen stellte nicht nur eine wesentliche Aufgabe städtischer Verwaltung dar, sondern erforderte große Mengen an finanziellen und personellen Ressourcen.
An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert konnte die Bürgergemeinde der Stadt Enns mit der von König Maximilian I. erteilten Erlaubnis vom 4. April 1501, eine Brücke über die Donau zu errichten, ihre zentrale Position am Zusammenfluss von zwei Flüssen, der Enns und der Donau, erheblich verbessern. Eine den Fluss überspannende moderne und stabile Brückenkonstruktion stellte ein prestigeträchtiges Aushängeschild der Stadt dar.
Der sakrale Bildträger scheint ein probates Medium darzustellen, um diesen verkehrsstrategischen Vorteil in Verbindung mit dem Glaubenszeugnis eines christlichen Märtyrers aus dem regionalen Kontext eindrucksvoll und plakativ zu vermitteln.