Während in unseren Breiten im Jänner meist die kälteste Zeit ist und derzeit enorme Schneemassen das Land bedecken, sodass die Bewohner*innen in abgelegenen Alpenregionen mittels Hubschrauber notversorgt werden müssen, führt uns der Heiligenkalender in die abgelegene Wüste Ägyptens zu den zwei heiligen Eremiten Paulus von Theben (am 10. Jänner) und Antonius (am 17. Jänner). Auch in der Wüste wurde man aus der Luft versorgt: in der bekannten Sammlung von Heiligenviten, der „Legenda Aurea“ des Jacobus des Voragine aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist zu erfahren, dass Paulus von Theben im 3. Jahrhundert AD jahrzehntelang in einer Höhle wohnte, wohin ihm ein Rabe täglich ein halbes Brot brachte.
Ungefähr zur selben Zeit verbrachte Antonius an einem anderen Rückzugsort in der Wüste Ägyptens ebenso ein Leben in Askese. Im Traum erfuhr er vom gleichgesinnten Wüstenbewohner, machte sich auf dem Weg zu ihm und konnte diesen nach anfänglicher Zurückweisung überzeugen, ihm Gesellschaft leisten zu dürfen. Am Abend brachte ihnen der Rabe die doppelte Portion, also ein ganzes Stück Brot. Die gut informierte Quelle „Legenda Aurea“ berichtet, dass sich die beiden aus Gründen der Rücksichtnahme nicht gleich ans Abendessen machten, sondern erst auszuhandeln begannen, ob zuerst der Gast (Antonius) oder der Ältere (Paulus) das Brot teilen solle, bevor sie sich (vermutlich nach Längerem hin und her) entschieden, es gemeinsam zu tun. Um keinen Streit auszulösen oder um die Gefahr zu vermeiden, dass die Eremiten wegen ihrer höflichen Rücksichtnahme gar deren Hungertod riskieren, bringt der Rabe in der Darstellung des Antoniuszyklus am Altar in der Filialkirche St. Blasius (REALonline 016326) praktischerweise gleich zwei halbe Brote. Dass Paulus zwei Tage nach dem Eintreffen seines Eremitenkollegen hochbetagt starb, konnte er nicht verhindern.