Zum Frühling im Allgemeinen wie auch zum christlichen Osterfest, das ja häufig – und so auch in diesem Jahr – im April stattfindet, gehört hierzulande untrennbar der Hase: Nicht umsonst wird der Feldhase (Lepus europaeus), der übrigens zu den gefährdeten Tierarten zählt, beim Naturschutzbund Österreich als Säugetier des Monats April geführt. Ob er uns nun als Schokoladehase im Supermarkt begegnet (und direkt in den Einkaufswagen springt) oder uns beim Wandern in der Natur über den Weg läuft, ob man ihn als Fruchtbarkeitssymbol sehen möchte oder als kulinarisches Highlight der Wildsaison – Hasen lösen wahrscheinlich bei den meisten von uns positive Gefühle und Assoziationen aus.
Auch in der Sprache hat Meister Lampe seinen festen Platz, wenn wir beispielsweise jemanden als „Angsthasen“ bezeichnen, jemandem bescheinigen, in seinem oder ihrem Metier bereits ein „alter Hase“ zu sein oder von uns selbst behaupten, zu „wissen wie der Hase läuft.“ Letzteres bezieht sich wohl darauf, dass flüchtende Hasen Haken schlagen, um ihre Verfolger zu verwirren; wer also weiß, wie der Hase läuft, macht sich entweder selbst diese Taktik zu eigen oder aber durchschaut sie bei seinem oder ihrem Gegenüber und verfügt somit über einen entscheidenden Wissensvorsprung.
Zahlreiche Hasen tummeln sich auch in REALonline, der wissenschaftlichen Bilddatenbank des IMAREAL. Die Suche nach dem Begriff „Hase“ führt derzeit zu 70 Treffern; viele der gefundenen Exemplare finden sich in den Randillustrationen von Handschriften, wo sie durch das Rankenwerk turnen oder dort aufrecht sitzen und zum Teil mit ungewöhnlichen Requisiten wie Rosenkränzen oder Musikinstrumenten hantieren. Häufig sind sie mit anderen Wildtieren, z.B. Rehen und Hirschen, vergesellschaftet, manchmal auch mit ihren tierischen Gegenspielern, den Füchsen. Auf unserem Bild des Monats April sehen wir einen laufenden Hasen in der Schleife einer Ranke, die manche heutige Betrachterinnen und Betrachter vielleicht an ein Hamsterrad erinnern mag.
Diese Randillustration entstammt einem Lehrbuch, das dafür geschaffen worden war, den jungen Kaiser Maximilian I. in der Grammatik zu unterweisen: Der Codex Vindobonensis Series Nova 2617 enthält auf 22 Blättern einen sogenannten Illustrierten Donat, eine mit reichem Buchschmuck versehene ‚High-End-Version‘ der Grammatiklehre Ars Minor des Aelius Donatus. Diese antike Elementargrammatik aus dem 4. Jahrhundert nach Christus wurde im Mittelalter rege rezipiert und auch in die Volkssprachen übersetzt, was zur Folge hatte, dass Donat(us) zu einer Art Sammelbegriff für alle möglichen volkssprachigen Grammatiktraktate wurde. Das hier vorliegende lateinische Exemplar sollte also dem künftigen Kaiser Maximilian zeigen, wie in Sachen Grammatik „der Hase läuft“, auf dass er früher oder später auf diesem Gebiet ein „alter Hase“ würde. Wie es dem achtjährigen Maximilian bei seinem Grammatikstudium erging, geschweige denn, wie er sich dabei fühlte (wie ein Hamster im Rad natürlich nicht, und hoffentlich auch nicht wie ein in einer Ranke gefangener Feldhase), können wir freilich nicht mehr erschließen. Wohl aber verbindet unser Bild den Hasen als Symbol für Frühling, Wachstum und Erneuerung mit dem bedeutenden Habsburger Kaiser Maximilian I. als Förderer von Wissenschaft, Literatur und Kunst, dessen Todestag sich 2019 zum 500. Mal jährt (während übrigens sein Geburtsjahr 1459 nach dem chinesischen Horoskop dem Hasen zugeordnet ist).