Suchbild mit Wiege

Manche haben vielleicht Mühe auf Albrecht Dürers Holzschnitt zur Geburt Mariens (REALonline 014301) die Wiege auf Anhieb zu finden. Dabei ist sie eigentlich im Zentrum des Raumes dargestellt, in dem die Szene verortet ist. Ein kleiner Tipp: das gesuchte Objekt wird getragen.

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Geburt Mariens, Holzschnitt, Grafische Sammlung des Benediktinerstifts Seitenstetten, 1503.

Das kleine Bett für die spätere Gottesmutter hat eine der Mägde unter ihren linken Arm geklemmt, während sie in ihrer rechten Hand einen Krug hält. Der Befund der Bildquellen in REALonline (der Bilddatenbank des Instituts für Realienkunde), gibt aber auch denjenigen recht, die nach einer im Zimmer aufgestellten Wiege gesucht und deshalb das mobile Kleinmöbel nicht gleich gefunden haben: In nur zwei von 44 Datensätzen, auf denen eine Wiege dargestellt ist, wird sie getragen.
Diese Auswertung wäre viel schwieriger, wenn es REALonline nicht gäbe. Darin werden nämlich dargestellte Elemente von Bildern – Personen, Objekte, Tiere, Pflanzen usw. – erfasst. Das hat den Vorteil, dass in wenigen Sekunden online angezeigt werden kann, auf welchen der 19152 vollständig erschlossenen Datensätze in REALonline sich ein Gegenstand wie eine Wiege befindet. Zum Vergleich: Selbst, wenn man sich nur 1 Minute pro Bild Zeit ließe, würde man bei einer 40-Stunden-Arbeitswoche rund 1,84 Monate für dieselbe Tätigkeit benötigen.
Die Expert*innensuche in REALonline ermöglicht es weiters die erhobenen Beziehungen zwischen dargestellten Elementen des Bildes abzufragen. Eine Auswertung von direkten Subjekt-Objekt-Zusammenhängen kann mitunter auch dazu dienen, motivische Übereinstimmungen in Kunstwerken zu detektieren. Es gibt nämlich im Datenbestand von REALonline noch eine weitere Magd, die eine Wiege und einen Krug trägt. Diese befindet sich auf einer 1579 gemalten Tafel eines Flügelaltares (REALonline 015601), die in einen im 19. Jahrhundert neu geschaffenen Altar in der Augustinuskapelle des Augsburger Domes eingesetzt wurde. Neben dem Dürer-Holzschnitt hat sich der Künstler des späten 16. Jahrhunderts aber offenbar eine weitere Druckgrafik zum Vorbild genommen: Sowohl die Verzierung des Kopf- bzw. Fußendes der Wiege mit einem Hexagramm als auch die kugelförmigen Abschlüsse finden sich auch auf einem Kupferstich Isaraels van Meckenhem aus dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts. Damit zeigt sich, wie lange mitunter Bilddetails weitertradiert wurden.
In einem Proseminar zu Objekten im spätmittelalterlichen Bild des heutigen Österreichs, werden Studierende an der Universität Salzburg gemeinsam erarbeiten, welche Aufschlüsse uns die dargestellten Elemente über Motivübernahmen hinaus noch geben können.
Wer mehr darüber erfahren will, welche Lehrveranstaltungen von Mitarbeiter*innen des Instituts für Realienkunde im Wintersemester 2017/18 angeboten werden, kann das hier nachlesen. Eine Übersicht über alle Lehrveranstaltungen, die im Rahmen der Studienergänzung und des Studienschwerpunkts „Interdisziplinäre Studien zu Mittelalter und Frühneuzeit“ an der Universität Salzburg abgehalten werden, findet sich hier.

I.N.