Pilger*innen in Serie

Die Bilddatenbank REALonline enthält 139 Bilder, auf denen Personen als Pilger oder Pilgerin ausgewiesen wurden. Dabei handelt es sich in der Regel um Auszeichnungen von Heiligen, die aufgrund ihrer legendenhaften Überlieferung als Pilger oder Reisende bekannt sind, wie beispielsweise der Apostel Jakobus der Ältere, der Hl. Rochus, der Hl. Koloman oder der Hl. Sebaldus.

Woran erkennt man/frau Pilger*innen?

Hl. Rochus, Detail aus: Hl. Rochus, Hl. Michael, Hl. Sebastian, Hl. Joseph (Detail), Tafelbild eines Flügelaltars in Biertan, Siebenbürgen, Rumänien, 1500/1525. REALonline 014938
Andre Haller, Hl. Rochus (Detail), Tafelbild eines Flügelaltars, dat. 1513, heute: Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, IN 44. REALonline 001939

In den Darstellungen sind diese am typischen „Pilgeroutfit“ erkennbar: breitkrempiger Pilgerhut, Schultermantel, Tasche und Wanderstab. Diese „Must haves“ sind in Wort und Bild seit dem 12. Jahrhundert belegt. Seit diesem Zeitraum treten auch erstmals Abzeichen in größerer Zahl auf, und zwar annähernd zeitgleich in der archäologischen, bildlichen und schriftlichen Überlieferung. Neben den durch die heute wieder boomenden Wallfahrten nach Santiago de Compostela allgemein bekannten Pilgermuscheln zählen dazu zunächst auch kleine gegenständliche Objekte, Abbilder auf Stoff, Papier oder Pergament sowie verschiedene plakettenartige Objekte aus Metall (zumeist Blei/Zinn). Sie wurden zumeist am Hut oder an der Tasche befestigt, vereinzelt auch am Mantel. Sie wurden zu Hunderttausenden produziert und dienten nicht nur als Nachweis für das Erreichen des Wallfahrtsortes, sondern in weiterer Folge oftmals auch als kleine Andachtsbilder oder als Amulette.

Zeichen am Hut und anderswo

Pilgerzeichen sind auf 68 Bildern in REALonline erkennbar. Nur wenige sind so klar wiedergegeben, dass sie eindeutig hinsichtlich des Pilgerortes oder des/der verehrten Heiligen identifizierbar sind. Dies gilt vor allem für die Pilgermuscheln, die zumeist, aber nicht nur, den der Überlieferung nach in Santiago de Compostela bestatteten Apostel Jakobus den Älteren auszeichnen. Gut erkennbar sind auch alle gegenständlichen Objekte, wie die Pilgerstäbchen (bandones), ebenfalls aus Santiago, gekreuzte Schlüssel, sowie „Vera Icon“-Darstellungen (das „wahre Antlitz Christi“ auf dem sog. Schweißtuch der Veronika) aus Rom. Weitaus undeutlicher sind hingegen die plakettenartigen Pilgerzeichen dargestellt, obwohl sie wohl unter den zeitgenössischen Pilger*innen sowie in der archäologischen Überlieferung die Hauptgruppe bilden. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie auch auf etwas größere Distanz, wie mehreren Metern, nicht mehr eindeutig unterscheidbar waren, dies legen zumindest entsprechende Versuche mit Repliken nahe.

Vera Icon sticht Pilgermuschel: Rankings von Pilgerzeichen

Hl. Jakobus Maior, Detail aus: Schmerzensmann mit Hl. Maria und Hl. Johannes Evangelist, Hl. Jakobus Maior, Hl. Andreas (Detail), Predellabild auf einem Flügelaltar in der Filialkirche St. Anna in Frommengärsch, Vorarlberg, dat. 1481. REALonline 011143
Andre Haller, Hl. Rochus (Detail), dat. 1524, Tafelbild eines Flagellantenaltars aus Buchenstein (Südtirol), heute: Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, IN 948. REALonline 002025

In manchen Darstellungen sind mehrere Pilgerzeichen auf einem Hut vereint, so auch auf der hier vertretenen Bildauswahl: Dabei treten klare Hierarchien zum Vorschein, wobei die Hutmitte über der Stirn den prominentesten Platz einnimmt. Vera Icon-Zeichen sind immer in der Mitte und wurden, weil als „wahres Abbild Christi“ besonders verehrt. Als zweitwichtigstes Objekt sind Pilgermuscheln bildlich ausgewiesen, erst dann folgen alle anderen Pilgerzeichen. Damit bilden diese Appliken kleine Bildsysteme aus, die uns Auskunft über die Wertschätzung von Pilgerstätten und Verehrungszielen geben: auch wenn seit dem 14./15. Jahrhundert regionale Wallfahrtsorte einen enormen Aufschwung erlebten, sind es immer noch Rom und Santiago, die zumindest in der bildlichen Repräsentation von Pilger*innen am höchsten „gerankt“ sind. Einschränkend muss allerdings konstatiert werden, dass beide Zeichen – die Pilgermuschel und das Vera Icon – im 15. Jahrhundert, als die hier untersuchten Bilder gefertigt wurden, auch an anderen Orten verteilt wurden und z.T. schon als Chiffre für die Pilger*innen schlechthin ohne Ortszuweisung angesehen wurden.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projekts „Mobile Dinge, Menschen und Ideen. Eine bewegte Geschichte Niederösterreichs“, Themenbereich „Religiöse ‚Wearables‘ als materielle Zeugen neuzeitlicher Mobilität (17./18. Jahrhundert)“.

Thomas Kühtreiber