Postkarten kommen als Urlaubsgrüße wieder in Mode: mit einfach zu bedienenden Applikationen kann das „Selfie“ vor der Hauptattraktion der Urlaubsdestination als Grußkarte unkompliziert und rasch versendet werden. Das mehr oder weniger „neutral“ arrangierte Sightseeing-Sujet, das bisher als Postkarte gekauft und versendet wurde, kann nun durch die persönliche Perspektive visuell personalisiert und individualisiert werden.
Dass dies kein neues Phänomen des 21. Jahrhunderts ist, bezeugen schon zahlreiche mittelalterliche und vor allem frühneuzeitliche Votivbilder. Sie entstanden meist im Zusammenhang mit der Formulierung eines konkreten Anliegens in Form einer Bitte. Die Vermischung der mittelalterlichen Praxis, einem Heiligen ein Gelübde abzulegen, mit säkularen Rechtsvorstellungen wird auch im Gestus sichtbar: Die gefalteten Hände stellen ein wesentliches Element des Verknechtungsritus dar. Nach dem Recht des Sachsenspiegels etwa oder im Lehensrecht wird dem Lehensherrn der Lehensdienst mit gefalteten Händen angeboten. Mit der Stiftung einer Votivgabe wird an diesem besonderen Ort ein Objekt real, nachbildlich oder imaginativ abgelegt, um die Wirksamkeit des Geschehens zu dokumentieren.
Von Freistadt nach Wien
Das Bild des Monats Juli ist ein Beispiel dafür: Es stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und wird mit dem Priester und bischöflichen Vertreter in Wien, Caspar Hornperger (+ 1460) in Verbindung gebracht. Die Darstellung zeigt Maria mit Kind, flankiert von den Heiligen Katharina, Jakobus und Sebastian sowie einem nicht näher bestimmbaren (heiligen) Bischof. Hornberger selber ist als Stifter kniend im Vordergrund abgebildet, auf Grund des beigestellten Wappens, ein Horn, kann er (auch heute noch) identifiziert werden. Auffallend ist auch die im Hintergrund skizzierte „Skyline“, die eindeutig städtischen Charakter hat. Ob sie – wie vielfach vermutet – der Stadt Freistadt zuzuordnen ist, ist ungeklärt. Einen Anhaltspunkt gibt es allerdings dafür. Der aus Vöcklabruck in Oberösterreich stammende Hornperger immatrikulierte 1434 an der Universität Wien, wo er die Lehrerlaubnis für kanonisches Recht erlangt. Nach seiner Tätigkeit als Bischofsvertreter in Wien betreute er die oberösterreichische Pfarre Freistadt, deren Kirchenpatronin Katharina auch in das Bildensemble integriert erscheint. Bezeichnenderweise ragt ihr Nimbus in die stadttopografische Darstellung.
Caspar Hornperger und Maria am Gestade
Zur Person des Caspar Hornperger ist wenig bekannt, doch die knapp vor oder bereits nach seinem Tod angefertigte Votivtafel lässt seine Einbindung in regionale und überregionale Zugehörigkeiten als Bischofsvertreter, Pfarrer und Gelehrter im Rahmen des Passauer Bistums erahnen. Als Passauer Offizial war er ständiger Repräsentant des Passauer Bischofs in Wien. Die große räumliche Distanz zwischen dem Sitz des Bischofs in Passau und dem zu betreuenden Teil seiner Diözese rund um Wien hatte bereits früh die Einsetzung eines ständigen Vertreters (Offizial) in Wien erfordert. 1329 erstmals urkundlich bezeugt übte dieser alle bischöflichen Verwaltungsfunktionen einschließlich der geistlichen Gerichtsbarkeit aus. Ab 1357 residierte der bischöfliche Vertreter in einem eigenen Gebäudekomplex in der Nähe der Kirche Maria am Gestade, deren Patronatsrechte er ebenfalls ausübte. Amtssitz und Kirche stammten aus dem Besitz der Familie Greif, die auch die Kapelle Maria am Gestade mit umfangreichen Einkünften ausstattete und den Anbau des Chores initiierte. Der Passauer Hof wurde zum Verwaltungszentrum ausgebaut. Amtsinstruktionen und Einzelurkunden geben zwar Aufschluss über die Tätigkeiten und Aufgaben der diözesanen Verwalter, über die einzelnen Persönlichkeiten liegen jedoch wenig Kenntnisse vor. Einen Eindruck hinsichtlich ihres Einflusses mag das noch heute im Kirchenraum von Maria am Gestade befindliche Votivbild vermitteln.